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Nachhaltigkeit

«Die Erkenntnis, dass wir auf einem endlichen Planeten leben, ist neu.»

PD Dr. Islème Sassi, Dozentin für Fachdidaktik Latein, diskutiert anhand antiker Problemstellungen heutige Herausforderungen.

«Was man vermittelt und wie man lebt, das muss passen. Glaubwürdigkeit ist für mich untrennbar mit einem guten Leben verbunden.»

PD Dr. Islème Sassi, Dozentin für Fachdidaktik Latein

Wenn ich mit den SchülerInnen am Gymi lateinische Texte lese, kommt das Gespräch immer wieder auf die zentralen Punkte: Was ist ethisch richtiges Verhalten? Gerechtigkeit? Gleichberechtigung, Diversität oder Tierrechte – sind Tiere weniger wert? Die SchülerInnen sagen: Das sind ja unsere modernen Sklaven, sie haben keine Rechte, werden ausgebeutet, schliesslich getötet. Oder wir schauen den Slavery-Footprint an, den wir mit unseren Konsumgütern heute haben.

Man muss Nachhaltigkeit gross denken, in lateinischen Texten geht es meist um ethische und moralische Fragen. Umweltprobleme in einem modernen Sinn gab es in der Antike kaum, das einzig vergleichbare Problem war die Abholzung. Die Römer lösten es, indem sie immer weitere Regionen erobert und dort die Wälder plünderten. Die Erkenntnis, dass wir auf einem endlichen Planeten leben, ist neu.

Wenn wir Caesar lesen, fragen wir uns: Was ist das für ein Mensch, der für Reichtum und Macht Krieg führt? Darum dreht sich die gesamte antike Philosophie: Wer bin ich, was darf ich? Und: was ist ein gutes Leben? Die Antwort darauf ist praktisch immer: Was dich glücklich macht, ist schon da. Sei genügsam, dankbar und erkenne das Gute.

Fachdidaktik ist eine wunderbare Ergänzung zum Unterrichten. Ich kann Studierenden zeigen, wie ich einen aktuellen und modernen Lateinunterricht verstehe, kann ihnen meine Ideen weitergeben. In anderen Fächern, wo es mehrere Dozierende für Fachdidaktik gibt, sieht man, wie unterschiedlich der Lehrstoff gewichtet wird. Im Latein gibt es nur mich. Eine andere Person würde die Sachen vielleicht anders vermitteln. Es ist keine exakte Wissenschaft.

Unsere Aufgabe ist es, Texte zu wählen, die Stoff zum Nachdenken und Diskutieren bieten. Wir haben wenig Zeit, drei Lektionen pro Woche. Unsere SchülerInnen sollen in jedem Text, den wir lesen, etwas finden, wo sie andocken können. Es darf auch irritierend sein, aber es muss eine Reaktion auslösen, soll berühren. Sie sollen kritisch denken lernen, sich selber hinterfragen, ihre Reaktionen wahrnehmen und anhand der antiken Welt die heutige Welt verstehen.

Es ist eine ständige Herausforderung, auch persönlich. Heute geht es um Ganzheitlichkeit. Was man vermittelt und wie man lebt, das muss passen. Dieses Gefühl von Glaubwürdigkeit, das sich daraus ergibt, ist für mich untrennbar mit einem guten Leben verbunden. Das sahen die Stoiker auch so: Das gute Leben ist, im Einklang mit der Natur und den eigenen Prinzipien zu leben. Oder: Nach Nachhaltigkeit zu streben, macht uns glücklich.

 

Interview und Autorenschaft der Geschichte: www.storiesforfuture.ch